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Gamification – spielend leicht zu positiven Nutzungserlebnissen?

Der Begriff Gamification wurde in den letzten zehn Jahren immer populärer. Das heißt, motivierende Elemente, die aus Spielen bekannt sind, finden wir immer häufiger auch in spielfremden Kontexten, zum Beispiel in Anwendungen für Healthcare oder Wissensmanagement. Durch Gamification, so sind sich Marketing-Experten schon längst sicher, werden positive emotionale Erlebnisse bei den Nutzern hervorgerufen. Auch bei User Experience geht es um positive Nutzungserlebnisse. Überwiegt diese Gemeinsamkeit die vielen kleinen Unterschiede zwischen diesen Ansätzen?

Nach der Definition von Deterding und Kollegen beschreibt Gamification die Integration von Spielelementen und -mechanismen in einen spielfremden Kontext – ganz nach dem Motto: Super Mario sammelt Münzen, Vielflieger sammeln Bonusmeilen. Bei Gamification geht es also nicht um die Konzeption eines ganzen Spiels. Vielmehr werden nur einzelne Elemente von Spielen übertragen. Genau das unterscheidet Gamification von Serious Games, die ebenfalls für Themen entwickelt werden, die per se keinen Spielcharakter haben. Allerdings handelt es sich bei Serious Games tatsächlich um richtige Spiele, z. B. zur Aneignung von Wissen.

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Gamification greift zudem Konzepte und Methoden aus der Verhaltens- und Motivationspsychologie auf. Das verdeutlicht das Beispiel des Elektroautos Nissan Leaf. Mittels virtueller Bäume zeigt das Auto dem Fahrer, wie umweltbewusst er gerade fährt. Mit "CARWINGS" hat Nissan sein Konzept außerdem noch um den Aspekt einer Social Community und den Vergleich der Fahrer untereinander durch Ranglisten ergänzt. Spielelemente sind hier das Sammeln von Punkten, das sich im Gedeihen der Bäume ausdrückt und das Darstellen der erreichten Punkte in Ranglisten, um einen Wettkampf zu erzeugen. Das Ergebnis: Wenn der Fahrer umweltfreundlich fährt, pflanzt er mehr Bäume, steht er in der Rangliste weiter oben und hat ein gutes Gefühl dabei.

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An diesem Beispiel werden die unterschiedlichen Zielsetzungen von Gamification und User Experience Design deutlich. Bei Gamification geht es darum, durch die Integration von Spielelementen positive Erlebnisse zu schaffen, um dadurch Einfluss auf das Verhalten der Nutzer zu nehmen. Die Verhaltensänderung ist dabei das eigentlich zentrale Element. Der Kern von User Experience liegt dagegen tatsächlich darin, durch die Befriedigung bestimmter menschlicher Bedürfnisse, positive Erlebnisse zu ermöglichen. Das Ergebnis, wie beispielsweise eine höhere Kundenbindung oder eine positivere Einstellung zur Marke, kann dabei das gleiche sein.

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Die Welt als Spielfeld?

Wann sollten Unternehmen bei der Gestaltung ihrer Produkte und Dienstleistungen auf Gamification setzen? Emotional positive Erlebnisse können Tätigkeiten, die eher langweilig oder unangenehm sind, aufwerten. Der Nutzer hat allerdings nur dann positive Erlebnisse, wenn er die Spielelemente bewältigen kann, sie ihn aber gleichzeitig fordern. Zudem helfen klare Regeln und Ziele sowie Feedback an den Nutzer, in einen "Flow" zu kommen. In diesem Zustand erlebt der Nutzer eine Aktivität als ausgesprochen positiv, kann sich vollkommen darauf konzentrieren und genießt sie. Die Zeit vergeht dann wie im Fluge. Was bei vielen Anwendungen von Gamification aber klar im Vordergrund steht, ist die Beeinflussung des Verhaltens oder der Einstellungen von Nutzern. Dem liegt die Annahme zu Grunde, dass die positiven Erlebnisse durch die spielerischen Elemente zu einer Verhaltensänderung führen.

Bei Nissan Leaf motivieren die Spielelemente den Fahrer dazu, energieeffizienter zu fahren. Damit hat Gamification in vielen Fällen durchaus einen manipulativen Aspekt. Bestimmte Interessensgruppen, wie Arbeitgeber oder Anbieter von Dienstleistungen, versuchen ihre Nutzer zu ihren Gunsten zu beeinflussen. Dies ist kein Phänomen, das nur im Consumer-Bereich auftritt. Auch in der Produktionsumgebung setzen Unternehmen inzwischen auf Gamification-Elemente. So wird beispielsweise durch das Vergeben von Punkten für bestimmte Tätigkeiten ein Wettkampf zwischen Maschinenbedienern erzeugt, um die Effizienz bei der Kontrolle von Produktionsanlagen zu optimieren. Gamification ist nicht zuletzt deshalb ein Hype, weil Unternehmen darin die Möglichkeit sehen, ein gewünschtes Verhalten bei den Nutzern herbeizuführen und sie gleichzeitig glücklich machen.

Wann Spiele Spaß machen

Dreh- und Angelpunkt von Gamification sind die Spielelemente und -mechaniken. Dazu gehören theoretische Hintergründe bei Spielen (z. B. das Bedürfnis nach Stimulation und Neugier), aber auch die konkrete Gestaltung eines Spiels nach bestimmten Prinzipien, Zielen und Mustern. Sie bilden die Regeln, nach denen ein Spiel funktioniert. Dazu gehören Elemente wie:

Belohnung

Anzeige und Belohnung von Leistungen und Erfolgen, z. B. durch Punkte, Auszeichnungen oder Level. Hier wird vor allem auf Leistung und Kompetenz als Motivatoren abgezielt.

Status

Status und der Vergleich mit anderen, häufig durch Ranglisten. Leistung und Kompetenz sind auch hier die motivierenden Faktoren.

Verlust

Erreichte Auszeichnungen und Ebenen können auch wieder verloren werden. Somit muss mehr Anstrengung auf deren Erhalt eingesetzt werden.

Zeit

Zeitbegrenzung, da für bestimmte Aktivitäten nur eine bestimmte Zeit zur Verfügung gestellt wird, was dann schnelles und beherztes Handeln erfordert.

Schrittweise Infos

Dabei werden Informationen nur schrittweise gegeben. So konzentrieren sich die Nutzer zunächst auf bestimmte Inhalte oder Funktionen und bekommen dann nach Bedarf weitere Möglichkeiten.

Hilfen

Hilfestellungen, da Herausforderungen nur dann motivierend wirken, so lange sie für die jeweiligen Nutzer als prinzipiell zu bewältigen angesehen werden.

Hinter einigen Motivatoren bei Spielen stecken, ähnlich wie bei User Experience, psychologische Bedürfnisse des Menschen, wie beispielsweise das Gefühl, kompetent zu sein oder sich bei Gruppenaufgaben mit anderen Spielern verbunden zu fühlen. Dadurch spielt Bedürfniserfüllung indirekt auch bei einigen Gamification-Elementen eine Rolle.

Doch nicht alles nur ein Spiel?

Gamification führt nicht in allen Fällen zu den gewünschten positiven Erlebnissen und einer dadurch bedingten Verhaltensänderung. Das liegt in erster Linie daran, dass wir nicht alle dieselben Spielertypen sind. Denn Gamification muss dem Nutzer auch tatsächlich Spaß machen, um zu motivieren! Insbesondere Elemente der Wettkampfstimulation kommen nicht bei allen Beteiligten gleichermaßen gut an. Allein die Tatsache, dass es bei Wettkämpfen immer nur einen Gewinner geben kann, führt dazu, dass unterm Strich nur wenige Nutzer in den Genuss eines Sieges kommen. Der am weitesten verbreitete Spielertyp fühlt sich durch die sozialen Erlebnisse eines Spiels motiviert.

Andere wollen etwas erreichen oder Neues entdecken. Diese Erkenntnisse müssen in die Konzeption von Gamification einfließen. Gamification kann, genauso wie User Experience Design, Nutzer motivieren und positive Erlebnisse ermöglichen. Gamification-Elemente können dabei sogar ein Mittel für positive User Experience sein. Doch bei Gamification werden der Spaß bei der Nutzung sowie die dadurch intendierte Verhaltensänderung beim Nutzer deutlich stärker betont als bei User Experience. An dieser Stelle verfolgt UX die idealistischere Zielsetzung, Wohlbefinden zu fördern und durch die Erfüllung psychologischer Bedürfnisse, Interaktionen mit einem Produkt persönlich bedeutsamer zu gestalten.

Der Autor Michael Burmester

Der Autor

Prof. Dr. Michael Burmester ist Principal Scientific Advisor bei UID. Von 2002 bis Dezember 2010 war er Berater Research and Innovation bei UID. Seit 2002 ist Dr. Michael Burmester Professor für Ergonomie und Usability im Studiengang Informationsdesign an der Hochschule der Medien (HdM) in Stuttgart. Er forscht zu Methoden des Usability Engineering und der User Experience sowie zu den Themenfeldern Human-Robot Interaction, interaktive Informationsgrafiken und Informationsunterstützung für Passagiere. Zudem leitet er seit 2005 den Forschungsschwerpunkt User Experience Research am Institute of Information Design Research (IIDR) der HdM.