15.09.2021
Immersive Anwendungen: Mit Immersion Nutzende in den Bann ziehen
Bereits drei Viertel der deutschen Unternehmen setzen immersive Technologien wie Augmented Reality ein oder planen dies (1). Die Zahl der immersiven Anwendungen steigt und auch das Interesse diese zu nutzen: Sechs Monate nachdem Apple mit iOS 11 und dem ARKIT eine Entwicklungsplattform für AR-Apps bereitgestellt hat, luden sich Nutzende 13 Millionen Augmented-Reality-Apps herunter (2). Ob für Spiele, bei Wartungen von Maschinen oder der Unterstützung im OP – immersive Technologien lassen sich vielfältig einsetzen. Wir zeigen euch, wie auch ihr mit AR, VR & Co. die Akzeptanz für euer Produkt steigert.
Eintauchen in neue Welten
Der Begriff Immersion bezeichnet das „Eintauchen“ oder „Versinken“ in eine andere (virtuelle) Welt. Nutzende blenden aufgrund von audiovisuellen Eindrücken die reale Welt um sich herum aus. Immersion findet nicht nur im virtuellen Raum statt – wie bei Computerspielen. Auch beim Brettspielen, Buchlesen oder Filmschauen können Rezipierende mental voll und ganz in die erzählte Geschichte eintauchen.
Immersive Technologien
Immersive Technologien erweitern die reale Welt, wie das zum Beispiel bei Augmented Reality (AR) der Fall ist. AR-Anwendungen verknüpfen die reale Umgebung visuell, auditiv oder haptisch mit digitalen Informationen. Wenn Nutzende gänzlich in eine virtuelle Welt eintauchen, sprechen wir von Virtual Reality. Der gesamte Bereich von AR bis VR ist fließend und wird häufig unter dem Begriff Mixed Reality zusammengefasst.
Hardware wie Brillen (Head Mounted Displays), die bei AR- und VR-Anwendungen zum Einsatz kommen, verstärken Immersion. Diese Technologie spricht möglichst viele Sinne der Nutzenden an und lässt so die virtuelle und reale Welt miteinander verschmelzen. Je mehr die Nutzenden das Gefühl haben, sich tatsächlich in einer virtuellen Realität zu befinden, umso stärker wirkt die Immersion.
Einsatzgebiete Immersion
Mit der Weiterentwicklung immersiver Technologien bieten sich inzwischen im digitalen Bereich verschiedene Plattformen und Einsatzszenarien:
AR/VR/MR-Experience für Datenbrillen: Diese Anwendungen simulieren beispielsweise die reale Arbeitsumgebung und werden für Schulungs- oder Trainingszecke genutzt. So können mit Hilfe von Datenbrillen Piloten in der Ausbildung Flüge trainieren und neue Mitarbeitende sich an komplexen Maschinen einarbeiten. Auch im medizinischen Bereich gewinnt diese Technologie an Bedeutung – als vorbereitendes OP-Training oder als Unterstützung bei chirurgischen Eingriffen.
3D-Desktop-Anwendungen: Interaktive 3D-Visualisierungen vereinfachen mit Schritt-für-Schritt-Anleitungen die Bedienung oder Wartung komplexer Maschinen zum Beispiel bei Industrieanlagen oder Autos.
Immersive Web- und Mobile Apps: Augmented-Reality-Apps machen Produkte in 360° erlebbar – in erweiterten Shopping-, Ausstellungs- und Messewelten, Beauty Apps oder Apps zur Einrichtungsplanung. Darüber hinaus können beispielsweise Navigations- und Reparatur-Apps mit erweiterter Realität den Alltag eurer Nutzenden erleichtern.
Vielseitig einsetzbar
Immersive Technologien sind in vielen Branchen einsetzbar von Industrie, Enterprise über Medizin bis zum Marketing für Konsumprodukte. Immersion bezieht Nutzende stärker in die Interaktion ein und lässt sie tiefer in eine Anwendung eintauchen. Dies bringt Vorteile für die Wahrnehmung von Produkt und Marke und erhöht gleichzeitig Akzeptanz und Erfolg einer Anwendung.
Emotionale Wirksamkeit
Mit immersiven Technologien macht ihr eure Produkte erlebbar: Ihr könnt Nutzende intensiver ansprechen und den Dialog zwischen eurer Kundschaft und eurer Marke fördern. Firmen wie Ikea oder Porsche nutzen diese Möglichkeit bereits. Mit der „IKEA Place App“ finden Nutzende dank Augmented-Reality-Technologie das passende Möbelstück für die eigenen vier Wände. Sie können Möbelstücke im eigenen Zuhause platzieren und sich so einen Eindruck von Größe, Design und Funktionalität verschaffen (3).
Auch mit der Augmented Reality-App „Porsche AR Visualizer“ konfigurieren Nutzende ihren Wunsch-Porsche und platzieren ihn in der heimischen Garage (4). So entsteht ein emotionales Produkterlebnis, das Spaß macht und Unsicherheiten bei der Kaufentscheidung nimmt. Dies erhöht die emotionale Verbindung zum Produkt und weckt positive Emotionen für die Marke.
Motivierte Nutzende
Wenn ihr AR, VR & Co. in eure Anwendungen integriert, nutzt ihr eine neue moderne Form der Interaktion. Immersive Technologien begeistern und motivieren – weil die Interaktion mit ihnen neu und anders ist. Sie machen Inhalte anschaulicher und lebendiger und damit besser begreifbar. Daher bieten sie sich insbesondere bei komplexen Inhalten an – beispielsweise wenn ihr Euren Kund:innen erklärungsintensive Produkte näherbringen wollt. Auch das E-Learning kann davon profitieren, indem Apps Wissen über Mathe, Geschichte oder Biologie spielerisch vermitteln: Wer zum Beispiel virtuell in den menschlichen Körper eintauchen kann, dem fällt es leichter, sich den Aufbau und die Lage von Organen einzuprägen als über den Blick ins Schulbuch. So holt die WDR History App „WDR AR APP 1933-1945“ Zeitzeugen ins eigene Wohnzimmer oder Klassenzimmer und macht Geschichte in der 360°-Perspektive lebendig (5).
In unserem Forschungsprojekt KoBeLu setzten wir ebenfalls auf Augmented Reality und einen Chat. Der augmentierte Lerntisch führt Industrie-Azubis durch praktische Übungen wie das Zusammenbauen einer Lichtmaschine. Dabei werden die dafür benötigten Werkzeuge und Informationen direkt auf die Arbeitsfläche durch projektionsbasierte AR-Technologie markiert. Das Lernen macht Spaß und wird nicht mehr bewusst wahrgenommen.
Sicher und effizient
Mit immersiven Anwendungen macht ihr das Arbeiten und den Alltag eurer Zielgruppe effizienter und sicherer. Das hat unterschiedliche Gründe: AR-Apps blenden dem Nutzenden alle relevanten Informationen dort ein, wo diese sie benötigen. Das zahlt sich beispielsweise bei Wartungen und Schulungen aus – wie ŠKODA feststellte (6). Der Autohersteller testet derzeit AR-Brillen, um Produktionsmaschinen zu warten und Techniker:innen zu trainieren. Das beschleunigte den Wartungsprozess und reduzierte die Fehlerwahrscheinlichkeit.
VR macht Informationen in Echtzeit virtuell erleb- und änderbar. Daher setzte der amerikanischen Hubschrauberhersteller Bell bei der Konstruktion des Hubschraubers FCX-001 auf virtuelle Mock-ups und interaktive Modelle in VR. Dieses Vorgehen verkürzte die Zeit für die Modellkonstruktion von fünf bis sieben Jahren auf sechs Monate – und sparte die Kosten für den teuren Prototypenbau (7). Gut gestaltete Immersion in VR sichert die volle Konzentration der Nutzenden auf eine Anwendung, da sie Ablenkungen ausblenden. Fresenius Medical Care schult seit August 2021 Patient:innen mit Virtual Reality für die Heimdialyse. In verschiedenen Modulen erlernen die Patient:innen, wie die Dialysebehandlung abläuft. Durch die VR-Umgebung blenden Patient:innen äußere Einflüsse aus und können sich voll und ganz auf die Schulungseinheiten konzentrieren (8).
Hohe Akzeptanz
Nur wenn Nutzende eine Anwendung akzeptieren, nutzen sie diese regelmäßig. Das gilt insbesondere für Anwendungen im beruflichen Kontext. Um das zu erreichen, sollte eure professionelle AR-Anwendung sinnvolle Use Cases abdecken. So sollte sie zum Beispiel Arbeitsschritte unterstützen, die bisher sehr fehleranfällig waren oder gar nicht unterstützt wurden.
Das zeigt sich auch in unserem Projekt HoloMed: HoloMed unterstützt Neurochirurgen bei Ventrikelpunktionen. Diese zählen zu den Routine-Eingriffen in der Neurochirurgie. Um den mit Flüssigkeit gefüllten Ventrikel zu punktieren, muss der Chirurg ein Loch in den Schädel bohren und einen Katheter einführen. Doch nur bei zwei von drei Punktionen sitzt der Katheter an der richtigen Stelle. HoloMed reduziert diese Fehlerquote: Aus Daten von CT- oder MRT-Scans errechnet HoloMed ein 3D-Modell des Gehirns. Dieses wird durch die Augmented-Reality-Brille virtuell über den realen Kopf eingeblendet. Zusätzliche grafische Elemente helfen dem Chirurgen dabei, die richtige Einstichstelle und den richtigen Einstichwinkel zu treffen. Damit macht HoloMed die Operation für Patient:innen sicherer und für Chirurgen einfacher. Wesentliche Gründe, warum die Anwendung bei der Zielgruppe so gut ankommt.
Fazit
Die Beispiele zeigen: Immersive Technologien lassen sich vielfältig einsetzen und bringen viele Vorteile. Ihr könnt also für verschiedene Use Cases überprüfen, ob AR, VR & Co. auch für euer Produkt sinnvoll ist. Unabhängig wann und wo ihr immersive Technologien einsetzt, wichtig ist vor allem eins: Idee und Konzept der Anwendung solltet ihr optimal auf die Nutzenden ausrichten, denn nur dann können immersive Technologien ihr Potenzial voll entfalten. Sind die Ziele und Anforderungen klar definiert und die Interaktionskonzepte gut durchdacht, könnt ihr euch mit Immersion die Aufmerksamkeit eurer Nutzenden sichern und eure Zielgruppe begeistern.
Quellen
(1) https://whitepaper.computerwoche.de/uploads/files/3d3b2d7bae6728d18bbb1a2eea32d71ae6755c18.pdf
(2) https://www.iphone-ticker.de/arkit-apps-13-millionen-downloads-in-sechs-monaten-124426/
(3) https://www.ikea.com/de/de/customer-service/mobile-apps/#fe034390-a869-11e9-96d8-1d980d66ac67
(4) https://www.porsche.com/germany/accessoriesandservices/virtualreality/
(5) https://www1.wdr.de/fernsehen/unterwegs-im-westen/ar-app/index.html
(6) https://www.volkswagenag.com/en/news/2021/05/skoda-auto-tests-augmented-reality-glasses-for-production-line.html#
(7) https://blog.vive.com/us/2019/10/31/bell-brings-revolutionary-fcx-001-market-10-times-faster-htc-vive/
(8) https://www.fresenius.de/9463