01.02.2022
Telemedizin – Die digitale Transformation der Arztpraxis
Videosprechstunde mit Fachärzt:innen, Unterstützung von Patient*innen per App oder Fernüberwachung des Gesundheitszustands – die Telemedizin wird zukünftig unsere Gesundheitsversorgung dominieren. Und sowohl Ärzt:innen als auch Patient:innen können sich freuen: Denn die Telemedizin bietet beiden eine Vielzahl von Vorteilen. Mit unserer UX-Brille werfen wir einen Blick auf diese Vorteile und betrachten, wie die digitale Transformation des Gesundheitswesens funktionieren kann.
Online-Lösungen verändern unser Leben stetig. Es ist offensichtlich: Das Internet und die damit einhergehende Vernetzung und Digitalisierung treibt den Wandel voran. Dieser Wandel vollzieht sich nicht nur im Bereich des Online-Bankings, der E-Commerce-Shops, Webchat-, Social-Media- oder E-Learning-Plattformen. Eine der bedeutendsten internetgestützten digitalen Transformationen findet durch Telemedizin-Apps statt.
Ihr könnt heute oder in naher Zukunft über Apps Eure Praxistermine buchen, Ärzt*innen direkt auf Eurem mobilen Bildschirm konsultieren, wichtige Gesundheitsstatistiken abrufen und Euren Gesundheitszustand von medizinischem Fachpersonal überwachen lassen. Diese Online-Apps, die Patient:innen mit technologiegetriebenen Funktionen helfen, werden als Telemedizin- oder Telegesundheits-Apps bezeichnet.
Wie helfen Telemedizin-Apps?
Die Corona-Pandemie hat gezeigt: Das Gesundheitswesen muss auch ohne persönliche Präsenz funktionieren. Und genau diese Gesundheitsvorsorge aus der Ferne ermöglichen Telemedizin-Apps. Das bringt vor allen in ländlichen Gebieten und Gemeinden, in denen es nur wenige Ärzt:innen gibt, Vorteile. So müssen Patient:innen keine langen Fahrten für Termine bei Ärzt:innen auf sich nehmen. Erkrankte, die in ihrer Mobilität eingeschränkt sind, können dies durch Telemedizin-Apps ausgleichen. Telemedizin-Apps machen das Gesundheitswesen auch für Menschen mit finanziellen Einschränkungen zugänglicher und kostengünstiger.
Die Rolle der User Experience in der Telemedizin
Natürlich spielt in dem Zusammenhang die User Experience eine große Rolle: Es geht nicht prinzipiell darum, die Gesundheitsvorsorge zu digitalisieren. Vielmehr geht es darum, Lösungen zu finden, die Patient:innen und Ärzt:innen einen Mehrwert bieten. Hierzu gilt es deren Herausforderungen zu verstehen und entsprechende Lösungen zu entwickeln. Medical Safety Design ist dabei essenziell, um Fehlbedienungen zu meiden. Aber auch um Daten verständlich, transparent und zugänglich zu visualisieren. Insbesondere die Visualisierung der Daten in der Medizintechnik ist angesichts der Menge und Art der Daten keine Trivialität, sondern ein wichtiger Baustein in der Versorgungsqualität der Patient*innen. Denken wir hier beispielsweise an chronisch kranke Menschen wie Diabetiker*innen, die wichtige Gesundheitsdaten erfassen, interpretieren und sich darauf aufbauend selbst im Alltag therapieren müssen.
Hier bietet die Telemedizin viele Vorteile, um die Gesundheitsversorgung für Patient*innen, aber auch Ärzt:innen effizienter und einfacher zu gestalten.
Einfacher Zugang zur Behandlung
Patient:innen wollen ihre Praxis bequem erreichen. Dies ist ihr wichtigstes Auswahlkriterium. Das erfüllen Telemedizin-Apps in hohem Maße. Kein Wunder, dass laut verschiedener Studien und Umfragen Patient:innen und Ärzt:innen eine mobile oder Online-Beratung immer öfter bevorzugen.* Virtuelle Pflege und Online-Patientenbesuche werden heute dafür gelobt, Patient:innen sofort und bedarfsgerecht zu versorgen, ohne Zeit und Ressourcen zu verschwenden. Dabei soll die Qualität sich von herkömmlichen persönlichen Besuchen nicht unterscheiden.** Dafür sorgen Videokonferenzen, Live-Chat, Cloud-basierte Datenbank und andere Kommunikationskanäle.
Damit Telemedizin-Apps einfach und bequem zugänglich sein können, müssen Hersteller die passende Technologie wählen und richtigen Funktionen anbieten. Außerdem gilt es, die Prozesse, die digital nicht genauso ablaufen können wie in der Praxis, richtig ins Digitale zu übersetzen oder möglicherweise zu überdenken. In vielen Projekten merken wir, dass dies keine Selbstverständlichkeit ist. Oft existiert die Annahme, dass ein physisch ablaufender Prozess einfach identisch abgebildet werden kann. Dem ist leider nicht so. Vielmehr braucht es spezielles Know-how, um menschenzentrierte Prozesse für digitale Anwendungen zu entwickeln.
Große Einsparungen im Gesundheitswesen
Services zur Remote-Analyse und Echtzeit-Überwachung von Patient:innen senkten in den USA die Kosten der Gesundheitsdienste in hohem Maße. Diese Kostensenkung wirkt sich positiv auf Patient:innen, Einrichtungen und Krankenkassen aus. Was die Kosten für die Apps rechtfertigt. Und je mehr Gesundheitseinrichtungen auf den Zug der Telemedizin aufspringen und Patient*innen medizinische Apps anbieten, desto günstiger werden die
Gesamtkosten pro Anwender für Telemedizin-Apps. Davon abgesehen tragen Telemedizin-Apps zugleich dazu bei, den Umsatz von Gesundheitseinrichtungen zu steigern: Sie steigern die Produktivität der Ärzt:innen und reduzieren die Anzahl der persönlichen Besuche. Abgesehen davon verliert die räumliche Nähe an Bedeutung. So können Ärzt:innen problemloser Menschen aus deutlich größerer Entfernung als Patient:innen gewinnen und behandeln.
Zugang zu Spezialist:innen
Telemedizin-Apps garantieren einen einfacheren und sofortigen Zugang zu vielen Spezialist:innen. Das hilft vor allem Erkrankten in ländlichen und abgelegenen Regionen, in denen ein Mangel an Fachärzt:innen herrscht. Aber auch in strukturstarken Gebieten sind bei den nächstgelegenen Spezialist:innen oft über Monate keine Termine verfügbar. Dank der Telemedizin kann die Gesellschaft deutlich effizienter mit der begrenzten Ressource „Facharzt:in“ umgehen: Mit Apps können Ärzt:innen an andere Spezialist:innen verweisen. Außerdem können sie helfen, verfügbare Fachärzt:innen zu finden und zu buchen. Durch die Möglichkeit, größere Distanzen zu überbrücken, ist eine Behandlung durch einen weiter entfernten Spezialisten problemlos möglich. Das verteilt die Arbeitslast unter den Spezialisten besser.
Verbessertes Therapie-Engagement
Patient:innen mit chronischen Krankheiten müssen ihre Gesundheitsdaten und -ziele meist selbst im Blick behalten und sich selbst behandeln: Telemedizin-Apps können insbesondere diese Gruppe an Patient:innen unterstützen. Dies trägt zu einer besseren Gesundheit der Patient:innen und niedrigeren Kosten für Krankenkassen bei. Patient:innen in ihren Pflege- und Behandlungsprozess einzubeziehen, führt somit zu einer höheren Versorgungsqualität bei geringen Kosten.
Wenn wir uns beispielsweise mal den Alltag von Diabetiker:innen anschauen, fallen gleich mehrere Ansatzpunkte ins Auge:
- Diabetes-Patient:innen können mit dem Smartphone Ernährungslisten, Medikamentendosen und Blutzuckermessungen hochladen, damit Krankenpfleger:innen diese aus der Ferne überprüfen können.
- Über ein Online-Portal können Diabetes-Erkrankte auf Anamnese, Testergebnisse, geplante Arzttermine, Rezepte usw. zugreifen.
- Sie können über eine App den Konsum verschiedener Lebensmittel im Blick behalten und über Ernährungs- und Diätdiagramme auf dem Laufenden bleiben.
Epidemiologische Kontrolle
Eine weitere Möglichkeit, Telemedizin-Apps zu nutzen, haben wir in den letzten zwei Jahren alle kennengelernt: die Kontrolle der Ansteckungsgefahr und -ausbreitung. Die Corona-Warn-App ist – trotz DSGVO-Hürden und deutlichem Verbesserungspotenzial – ein gutes Beispiel hierfür. Sie zeigt, wie man sinnvoll Gesundheitsdaten und Ansteckungswahrscheinlichkeiten tracken kann und diese einsetzt, um die Gesundheitsversorgung zu erhalten.
Neue digitale Wege beschreiten
Die digitale Transformation schreitet auch in der Medizintechnik stetig voran und eröffnet neue Wege. Damit diese Patient:innen und Ärzt:innen wirklichen Mehrwert bietet, müssen neue digitale Ideen nicht nur raffiniert, sondern menschenzentriert sein. Wir begleiten bereits seit über zwei Jahrzehnten Unternehmen auf ihrem Weg zu neuen Services und Produkten. Als Digital Experience Designer entwickeln wir schon lange Lösungen für die Medizintechnik, die eine hohe Zufriedenheit der Nutzenden und Produkterfolg durch menschenzentrierte Gestaltung sicherstellen. In den kommenden Jahren rechnen wir damit, dass die Zahl der telemedizinischen Anwendungen rasant steigen wird. Die Telemedizin wird in den kommenden Jahren die neue Normalität der Versorgung und Behandlung von Patient*innen sein. Denn Telemedizin ist nicht einfach nur ein Technologietrend. Vielmehr repräsentiert sie perfekt, was das moderne Gesundheitswesen in den nächsten Jahren erreichen will: die digitale Transformation der Gesundheitsversorgung.
Der Autor
Yasin Demiraslan ist Senior Manager Strategic Marketing bei der User Interface Design GmbH (UID). In dieser Funktion steuert er das strategische Marketing bei UID und optimiert er die Entwicklung neuer Produkte und Dienstleistungen. Darüber hinaus betreut er UID-Kunden vorwiegend aus dem nord- und mitteldeutschen Raum. Yasin Demiraslan absolvierte er ein Studium der Wirtschaftswissenschaften mit Schwerpunkt Unternehmensführung und Innovationsmanagement an der TU Dortmund.
Weitere Infos
- Der digitale Alltag eines Diabetikers
- Digitale Gesundheitsanwendung (DiGA): Mit User Experience zu einer besseren Adhärenz
- Wie Frauen in Medizin und UI-Gestaltung besser einbezogen werden können
- e-Rezept: UX und die digitale Transformation im Gesundheitswesen
- Innovationen entwickeln mit UX
- UX Strategy
Quellen
*ps://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/28449620/
** https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/26269131/ sowie https://www.healthcareitnews.com/blog/one-physicians-perspective-why-patients-prefer-telehealth-visits und https://www.mckinsey.com/industries/healthcare-systems-and-services/our-insights/telehealth-a-quarter-trillion-dollar-post-covid-19-reality